lektion vom obstbauer

Nachhaltiges Wirtschaften ist auf lange Sicht immer nützlicher sein als das Gieren nach dem schnellen Ertrag. Richtet man sein Wirtschaften nur auf den Ertrag, kann das auf Kosten der Nachhaltigkeit gehen. Was das bedeutet, sagt Ihnen gerne ein Bauer, der seinen Hof in der x-ten Generation bewirtschaftet.
Die Versuchung ist allerdings sehr groß, nur den größtmöglichen momentanen Ertrag vor Augen zu haben. Letztendlich dreht sich zum Beispiel bei einem Obstbauern doch alles nur um die Früchte der Arbeit – um das Obst. Nur das zählt.

Als Kind mochte ich das Obst meines Großvaters sehr; Auch er war Obstbauer. Wenn er uns die Kisten mit roten Kirschen oder gelben Äpfeln mitbrachte, war das etwas Besonderes. Seine Baumgärten und vor allem die Plantagen mit den großen Apfelbäumen hinter seinem Haus waren zu jeder Jahreszeit eine Oase für abenteuerliche Verstecke und Kletterpartien; Und sie lieferten, je nach Jahreszeit, feinstes Obst.
Groß war dann der Schock, als ich eines Tages vor einer seiner Plantage stand – alle Apfelbäume lagen auf dem Boden, die Schnittflächen ihrer dicken Stämme leuchteten grell aus dem grauen Acker hervor.

Warum, schrie ich meinen Großvater an, warum hast du sie alle umgesägt? Sie lieferten doch gute Äpfel, und klettern konnte man auch darin! Ich weinte dicke Kullertränen. Mein Vater wusste keinen wirklichen Rat mit mir.
Doch die Antwort meines Großvaters jedoch leuchtete mir völlig ein, worauf ich meinen Zorn begrub. Schau, sagte er, wenn ich alle älteren Bäume stehen lasse, habe ich keinen Platz für neue Bäume, die dann groß werden, wenn die alten sterben. Als Obstbauer musst du immer eine Plantage haben, wo du junge Bäume pflanzt, die du pflegst und heranwachsen siehst, eine, wo du erntest und eine, wo du die alten Bäume fällst. Nur dann bist du für die Zukunft gerüstet und hast immer gutes Obst!
So, sagte er, sei es mit allen Dingen.

Diese Lektion nahm ich mit, obwohl ich als 8-Jähriger sicher noch nicht wusste, was ich damit anfangen sollte. Nach 20 Jahren in der Industrie weiß ich heute umso mehr, wie richtig diese Lektion ist: Es ist die Grundlage für nachhaltiges Wirtschaften.

Viele Manager habe ich inzwischen erlebt, die sich ausschließlich auf die Früchte der Arbeit konzentrierten. Frei nach dem Motto: Was interessieren mich die Plantagen, auf das Obst kommt es an! Auch bei einem international tätigen Unternehmen konnte ich die Einkehr der ‚Ernte-Manager’ miterleben, die alles, was sie taten, nur auf den Ertrag ausrichteten und dies mit ‚Shareholder Value’, ‚Portfolio Management’ und ‚Lean Production’ titulierten. Geplant wurde nur für das nächste Quartal, die Gewinne wurden schon vor der Ernte festgelegt und Investitionen in die Zukunft zurückgeschraubt. Heute ist man da klüger – oder?

Nachhaltiges Wirtschaften heißt, sich nicht nur z. B. auf den Schutz der Umwelt zu beschränken, sondern vor allem sein Unternehmen so aufzustellen, dass es für die Zukunft gerüstet ist: dass es in Zukunft auch noch gutes ‚Obst’ anbieten kann.
Dies bedeutet, dass man dem ‚Fällen‘ alter, nicht mehr ‚tragbarer‘ Strukturen und obsoleter Produkte genau soviel Aufmerksamkeit schenkt wie dem ‚Ernten‘ der momentan ertragreichsten Produkte und dass man die frei werdenden Ressourcen nutzt, um Neues daraus zu generieren, damit man für die Zukunft gerüstet ist.

Für Innovationen braucht es daher Weitsicht und Vertrauen. Man muss erst bewusst Freiräume schaffen (Fällen), bevor man Neues keimen lassen kann. Dabei ist das Vertrauen, als Grundlage des nachhaltigen Wirtschaftens, essentiell, damit die ‚Keimlinge’ nicht, bevor sie die Reife erlangen, vom ungeduldigen Erntepersonal platt getrampelt werden. Die Entwicklung von ‚Keimlingen’ braucht seine Zeit und eine pflegende Hand, damit sie zu tragenden Bäumen werden. Die Aufmerksamkeit und Pflege gehört allen Stufen des Lebenszyklus gleichermaßen: Wer sich nur auf das Ernten richtet, erntet irgendwann faules Obst.

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